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Christine Beier und das Blau des Himmels

Christine Beier und das Blau des Himmels

Christine Beier
Christine Beier
Schloss Schwarzenberg, heute auch "PERLA CASTRUM – ein Schloss voller Geschichte" genannt, macht diesem Beinamen immer wieder Ehre. So auch am 1. Mai 2016, als unter dem Titel "Das Blau des Himmels" eine Retrospektive der Designerin und Blaufärberin Christine Beier aus Schwarzenberg eröffnet wurde. Ihr ist in den Achtzigerjahren, inmitten der Zeit der Unmöglichkeiten in Perfektion etwas gelungen, woran viele Künstler scheitern: Die Transformation eines alten Kunsthandwerks in die Moderne.

Bei diesem Kunsthandwerk handelt es sich um den Blaudruck, den sich die studierte Textildesignerin (Fachschule für angewandte Kunst Schneeberg) zunächst in endlosen Versuchen technologisch zu eigen machte, dann aber mit völlig neuen Gestaltungen aus der kunsthandwerklichen Tradition herausholte. Um sich gegenüber den traditionellen Blaudruckwerkstätten abzugrenzen gab sie sich daher den Eigennamen "Blaufärber".

Ausstellung auf Schloss Schwarzenberg vom 1. Mai bis zum 7. August 2016
Ausstellung auf Schloss Schwarzenberg vom 1. Mai bis zum 7. August 2016

Neben indischen Modeln setzte die Künstlerin auf Schablonen, Sprühtechniken und Maltechniken für den Reservepapp.


Dazu muss man die Technik des Blaudrucks kennen, beim dem - entgegen der Vorstellung, die der Name hervorruft - gar nicht Blau gedruckt wird. Auf den Stoff wird vielmehr der sogenannte Reserve-Papp gedruckt. Der heißt so, weil er die Stellen, die beim späteren Färben nicht eingefärbt werden sollen, reserviert.

Aber der Reihe nach: Beim klassischen Blaudruck wird der Stoff mit Hilfe von Modeln, das sind Druckstöcke, die geschnitzt sind oder eingeschlagene Ornamente enthalten, mit Reserve-Papp bedruckt, anschließend mit der früher aus Waid, später aus natürlichem Indigo und noch später aus synthetischem gewonnenen blauen Farbe eingefärbt. Schließlich wird der Reserve-Papp wieder aus dem Stoff ausgewaschen, wodurch dieser wieder weiß erscheint.

Blaudruck-Stoffbahn mit Foto der Künstlerin aus den Achtzigern
Blaudruck-Stoffbahn mit Foto der Künstlerin aus den Achtzigern

Was sich einfach anhört, will erst einmal chemisch und technologisch beherrscht sein, schließlich gab schon damals keiner der wenigen existierenden Blaudrucker die Geheimnisse seines Berufs preis.

Altes Handwerk neu interpretiert
Altes Handwerk neu interpretiert

Aus den "Blaufärber"-Stoffen entstanden Kleider, Wickelröcke, Gardinen, Bettwäsche und anderes mehr. Wäre nicht der künstlerische Anspruch maßgebend gewesen, hätte Christine Beier leicht eine enorme Blaudruck-Produktion aufbauen können.

Zeitungsausschnitte und Prospekt aus den frühen Jahren
Zeitungsausschnitte und Prospekt aus den frühen Jahren

Nach den Maßstäben des Kunstbetriebs im wiedervereinigten Deutschland hätte Christine Beier viel mehr Selbstmarketing betreiben müssen, doch für die eher stille Beobachterin war die Selbstinszenierung nie ihr Ding.

Auf großen Bahnen entfaltet die Gestaltung ihre Wirkung
Auf großen Bahnen entfaltet die Gestaltung ihre Wirkung

Weil ihre außergewöhnliche Kunst wie so oft eher im Verborgenen blühte und nur auf Verkaufsausstellungen bis nach Berlin Aufsehen erregte, kam die späte Ehrung mit der Personalausstellung anlässlich eines runden Geburtstages, an dem andere längst dem Rentnerdasein frönen, vor allem in kunstinteressierten Kreisen gut an.

Gudrun Hiemer
Gudrun Hiemer
Zur Vernissage war auch die Schwarzenberger Oberbürgermeisterin Gudrun Hiemer gekommen. Für sie ist die überaus aktive Kunstszene der Erzgebirgsstadt ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Immerhin finden sich in der Bergstadt Kunstmaler, Musiker, Schnitzer, Holzgestalter, nicht zu vergessen Christine Beiers Mann, der Holzbildhauer Jörg Beier, ihre Tochter, die Fotografin Lydia Schönberg, und ihre Schwiegermutter, die begnadete Scherenschnittkünstlerin Gudrun Beier.

In der Vitrine Modeln, die Druckstöcke
In der Vitrine Modeln, die Druckstöcke

Vielleicht ist es der Blaufärberin ja gelungen, ein wenig vom "Blau des Himmes" auf die Erde zu holen. Bei den Leuten im Erzgebirge jedenfalls kommt das gut an, ist man in der Bergbauregion doch ständig auf der Suche nach Sonne und hat zugleich mit den Lichterengeln einen ganz besonderen Bezug zu den Himmelsbewohnern.

So, wie der Blaudruck die Leichtigkeit des Himmels vermittelt, ist die in Zwickau aufgewachsene Schwarzenberger Künstlerin ein eher heikles Thema angegangen: Ein Kunstwerk für das neuerbaute Schwarzenberger Finanzamt.

"Meine Taschen sind leer" hängt im Foyer des Finanzamtes Schwarzenberg
"Meine Taschen sind leer" hängt im Foyer des Finanzamtes Schwarzenberg

Es handelt sich um eine überlebensgroße Jeans aus Kupfergaze, deren Taschen nach außen gestülpt sind und die "Meine Taschen sind leer" heißt. Offenbar wirkt die Kunst bei den Bediensteten, jedenfalls wurde vor einiger Zeit eine Fotoaufnahme verweigert.

Christine Beier
Christine Beier

Heute ist Christine Beier in Kunst & Kneipe "Zur Freien Republik Schwarzenberg" auf der Oberen Schloßstraße anzutreffen, ein gemeinsam mit Ihrem Mann und inzwischen auch Ihrer Tochter realisiertes Projekt aus dem Anfang der Neuzigerjahre, das sich neben dem künstlerischen Schaffen quasi im Selbstlauf etabliert hat.

Schön, dass es Künstler gibt, die sich nicht den Erwartungen des Kunstmarktes oder dem Geschmack des Publikums unterwerfen, dafür aber mit ihrer Kunstkneipe - dem Café Piano, der Weinkeller "Zum Drachen", der Galerie Silberstein und dem Künstlerhaus Kafka im Künstlergässchen - nicht nur der kunstinteressierten Szene einen Anlaufpunkt bieten, sondern diese auch gewaltig beleben.

Mehr:
Beate Kindt-Matuschek: Leben auf blauen Schwingen,
erschienen in der Freien Presse vom 19. März 2016

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